Nur für den Hintern: Die absurde Erfindung des Klopapiers

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Wie ein New Yorker Geschäftsmann 1857 Toilettenpapier erfand – und warum er jedes Blatt mit seinem Namen bedruckte

„Nur für den Hintern. Nicht für offene Wunden.“

Klingt wie ein Witz – war aber der ernst gemeinte Hinweis auf dem ersten industriell hergestellten Toilettenpapier der Welt. New York, 1857: Joseph Gayetty starrt auf seine neueste Geschäftsidee und denkt sich vermutlich sowas wie: „Das wird die greatest necessity of the age.“

500 lose Papierblätter in einer Schachtel, jedes einzelne mit Aloe vera getränkt und – hier kommt der Clou – mit seinem Namen bedruckt. Da sitzt man auf dem stillen Örtchen und wischt sich den Hintern mit einem Blatt ab, auf dem „Joseph Gayetty“ steht.

Branding am Allerwertesten, lange bevor Branding cool war.

Die Chinesen waren mal wieder schneller

Dabei war Gayetty nicht der erste, der auf Papier kam. Wie so oft waren die Chinesen Jahrhunderte voraus: Bereits im 6. Jahrhundert nutzten sie Papier zur Körperreinigung – allerdings blieb das dem Kaiser vorbehalten. Schließlich war Papier kostbar.

Ab 1391 produzierten die Chinesen pro Jahr beachtliche 720.000 Blätter Toilettenpapier mit gigantischen Dimensionen: etwa 60 mal 90 Zentimeter. Das ist ungefähr so groß wie ein Handtuch. Praktisch? Eher nicht. Aber hey – es war ein Anfang.

Europa im Mittelalter: Rückschritt pur

Europa machte im Mittelalter toilettentechnisch einen Rückschritt: Die Menschen nutzten wieder kratziges Stroh oder Blätter, während der Adel sich Schafwolle, nasse Lappen – und später sogar Spitzentücher – leistete.

Die alten Römer waren da pragmatischer gewesen: Sie hatten eine Bürste entwickelt, die aus einem Stock mit einem festgebundenen Schwamm bestand. Bevor der Nächste damit schrubbte, tränkten sie die Bürste mit Salzwasser. Geteilt wurde trotzdem. Hygienisch war das nicht, aber immerhin wiederverwendbar.

Von Zeitungen zu Hochglanz-Versandkatalogen – mit Beschwerden

Erst ab 1700 gab es bei den Toilettenhilfsmitteln wieder einen Durchbruch. Zeitungen wurden immer erschwinglicher – und die Leute merkten schnell, dass sich diese nach dem Lesen wunderbar zweitverwenden ließen.

Diese Tradition hielt sich hartnäckig:

Bis in die 1980er Jahre zerschnitt man auch Zeitungen in kleine Blätter, lochte einen solchen Stapel an einer Ecke und hängte ihn mit einem Bindfaden an einem Nagel auf.

In den USA waren Versandhauskataloge besonders beliebt – bis die Firmen auf glattes, farbiges Papier umstiegen.

Plötzlich hagelte es Beschwerden: Das Zeug war einfach nicht mehr saugfähig genug. 😉

Gayettys geniales Marketing

Zurück zu unserem Helden Joseph Gayetty. Der Mann hatte Mut: Er verkaufte seine 500 Blätter für 50 Cent – umgerechnet auf heute etwa 16 Euro! Kein Wunder, dass der Erfolg begrenzt blieb, denn altes Papier war kostenlos.

Aber Gayetty war schlau: Er bewarb es als „Gayetty’s Medizinisches Papier für’s Wasserklosett“ und sollte gegen Hämorrhoiden helfen.

In einer Zeit, in der alle prüde waren, war das ein brillanter Marketing-Schachzug:
Statt „Klopapier“ verkaufte er ein „Medizinprodukt“.

Das wirklich Verrückte: Gayetty war so überzeugt von seinem Produkt, dass er seinen Namen auf jedes einzelne Blatt druckte. Da entwickelt jemand Toilettenpapier und denkt sich: „Ich finde, da gehört mein Name drauf. Blatt für Blatt.“

Die Rolle macht den Unterschied

Den echten Durchbruch schafften erst die Scott-Brüder 1890 mit der ersten Toilettenpapierrolle. Ironischerweise waren sie das komplette Gegenteil von Gayetty: Sie schämten sich so für ihr Produkt, dass sie den eigenen Namen vermieden und stattdessen die Namen ihrer Großkunden auf die Blätter druckten.

In Deutschland startete Hans Klenk 1928 mit seiner Firma Hakle – ein Name, der sich aus seinen Initialen zusammensetzt. Sein erster Slogan: „Verlangen Sie eine Rolle Hakle, dann brauchen Sie nicht mehr Toilettenpapier zu sagen!“

Auch er wusste: Das Thema war heikel. Und werbetechnisch war das überaus clever.

Von rau zu weich: Die deutsche Klo-Evolution

Die Hakle-Rolle bestand damals aus 1000 Blatt rauem Krepppapiers. Stell dir das vor: Sandpapier für den Hintern. Das weiße Tissue-Papier, wie wir es heute kennen, wurde erst 1958 bei Hakle produziert.

In der DDR blieb Krepppapier die einzig verfügbare Sorte. Dabei kam es hin und wieder zu Versorgungsengpässen, und DDR-Bürger charakterisierten das verfügbare Toilettenpapier rückblickend als „hart“, „rau“ und „viel zu dünn“. Nach Westbesuchen gehörte das dortige weichere Papier für viele zu den kleinen Annehmlichkeiten, die „schmerzlich vermisst“ wurden.

Was das heute über uns verrät

Je nach Quelle liegt der Verbrauch pro Kopf in Deutschland zwischen 9 und 12 Kilo Toilettenpapier pro Jahr – also etwa 50 bis 130 Rollen. Again: pro Person und Jahr!

Und es gibt zwei Lager: Während in großen Teilen der Welt geknüllt wird, falten Deutschschweizer genau wie die deutschen und die österreichischen Nachbarn ihr Papier vor der Nutzung gerne fein säuberlich.

Während Klopapier im Westen Standard ist, nutzen große Teile der Welt nach wie vor Wasser zur Reinigung. Schon im 9. Jahrhundert kritisierte ein Enzyklopädist, dass „die Chinesen“ sich „nicht mit Wasser waschen, wenn sie ihr Geschäft verrichtet haben, sondern sich nur mit Papier abwischen“. Die gleiche Kritik hört man heute noch.

Fazit: Mehr als nur Papier

Das nächste Mal, wenn du auf dem Klo sitzt und das weiche, dreilagige Papier in den Händen hältst, denk an Joseph Gayetty. Der Mann, der sich traute, sein Geschäft zu erledigen (ja, genau – bitte doppeldeutig lesen) – und stolz genug war, seinen Namen darauf zu setzen.

Toilettenpapier ist mehr als ein banaler Alltagsgegenstand. Es ist Kulturgeschichte zwischen Marketing, Medizin und menschlichen Bedürfnissen. Und manchmal auch einfach ein bisschen Wahnsinn.


🧻 5 Dinge, die du über Klopapier vermutlich nicht wusstest

  1. Gayetty druckte wirklich seinen Namen auf jedes Blatt – Marketing der besonderen Art
  2. Die Scott-Brüder schämten sich so, dass sie fremde Namen auf ihr Papier druckten
  3. In China gab es bereits im 6. Jahrhundert „Kaiserpapier“ – aber nur für den Herrscher
  4. Deutsche nutzen 46-134 Rollen pro Jahr – es gibt kulturelle Unterschiede beim Falten vs. Knüllen
  5. In der DDR war Klopapier politischer Witz – und wurde nach Westreisen „schmerzlich vermisst“

Warst du schon mal in einem Land ohne Toilettenpapier-Tradition? Erzähl uns von deinen kuriosesten Klo-Erlebnissen in den Kommentaren!

Auch Klobetrotter erledigt sein Geschäft stets gründlich. Quellen: Wikipedia (Toilet Paper), Hakle Unternehmensgeschichte, National Geographic, P.M. Wissen, Berliner Zeitung. (Zuletzt geprüft: August 2025)